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'der orient ist die wahre mutter europas, und unsere schlummernde sehnsucht geht immer dorthin' - bruno taut

Samstag, 19. April 2014

zaman ne demek, acaba?

was bedeutet eigentlich zeit?

die letzten zwei monate stehen vor ihrem anbruch, pünktlich mit dem sommer, der sich immer öfter blicken lässt, ankara abends in einem goldenen licht erscheinen lässt, die vormittage in der schule werden stickiger und es wird uns jetzt endlich ermöglicht, morgens im garten zu frühstücken.

ICH BIN FROH, bald wieder in deutschland zu sein, unversmogte luft zu atmen, moos, gras und erde unter den fußsohlen zu spüren, mich wirklich wieder sicher in einer kultur verhalten können, froh, wieder offen in einer familie meine meinung sagen zu können, mich aufregen können anstatt höflich lächeln zu müssen, unter der dusche singen, endlich wieder reisen und so weiter und so fort. das projekt, in das ich soviel mehr kraft als erwartet reinstecken musste, wird bald beendet. und ich bin froh darüber. es hat einen anfang und ein ende, ich habe durchgehalten und bald wird wieder etwas neues anfangen: mein leben in deutschland.

"Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, Der uns beschützt und der uns hilft, zu leben."

die zeit in istanbul ist so so so weit weg. sowohl die schönen samstagmorgende auf dem balkon mit meerblick als auch das furchtbare gefühl, morgens aufzuwachen, alles falsch, land falsch, kultur falsch, wohnung falsch, essen falsch, schule falsch, familie falsch... und selbst die zeit in ankara ist so fern, so, als würde jeder monat hier den menschen, der ich bin, ein wenig umbiegen, in verschiedene richtungen, so, dass er nie lange so bleibt, wie er mal war und eine veränderung der nächsten folgt.

ich kann gar nicht sagen, ob ich hier wirklich glücklich bin. die umstände für ein austauschjahr in der türkei sind alles andere als gut. viele von uns hatten, von außen betrachtet, kein schönes jahr. viele in anderen ländern hatten, von außen betrachtet, ein schöneres jahr. vielleicht ist das wichtigste aber auch, dass ich gelernt habe, dass gute laune, optimismus, lebensfreude immer ganz tief in jeder persönlichkeit schlummert - und wie man es freisetzt weiß ich nun, zumindest meistens, und zumindest so, dass es irgendwie reicht, um die innere balance so zu halten, dass sie nicht vollkommen abstürzt.

ich erinnere mich an einen nachmittag in afacan. die luft kühlte schon langsam ab, wir sind gerade aus dem meer vom schwimmen gekommen und saßen auf der terasse. mit salz auf der haut, etwas müde und mit dem wellenrauschen in den ohren. 17 junge menschen, gerade neu in der türkei und dementsprechend sehr sehr neugierig. vor uns ein anderer junger mensch, der das, was vor uns lag, schon lange hinter sich hat. uns wird über innere balance erzählt, über hochs und tiefs und ein satz war: und das ist es, was euer ganzes leben leichter machen wird. nämlich die balance halten!

ich mag die türkei. ich mag meine familie hier. ich mag die türkische mentalität. ich mag viele teile der türkischen kultur. ich mag türkisches essen. ich würde ein austauschjahr in der türkei niemandem weiterempfehlen. in die türkei - immer wieder. lange in die türkei - immer wieder. in dieser form? nie.
im nachhinein ist es doch ganz gut, weil ich durch das leben in einer gastfamilie natürlich einblicke gewonnen habe, die mir sonst mit sicherheit verwehrt geblieben werden, aber es hat das ganze so unglaublich schwer und kraftraubend und schlauchend gemacht, genauso wie acht stunden türkisches gymnasium pro tag, während man nur einen bruchteil des unterrichts (wegen fachsprache) versteht, kein zeugnis bekommt, und dass wahrscheinlich kein einziger gymnasiast in diesem land so etwas wie ein soziales leben besitzt, kommt dazu. egal, bereuen tu ich nichts, dazu habe ich zu viele erfahrungen gemacht, die mich auch in zukunft erheblich weiterbringen werden!!

nun zu dem, was in letzter zeit so passiert ist.

es waren kommunalwahlen und wie die meisten wahrscheinlich wissen, hat die akp in weiten teilen des landes die mehrheit der stimmen bekommen. passiert ist, unerwartet, nichts weiter. keine demonstrationen, proteste und keine explosive spannung in der luft. natürlich ist politik weiterhin viel mehr alltagsthema als in deutschland, doch trotzdem hat sich alles beruhigt. so, als hätte es die demonstrationen von damals (berkin elvan...) nie gegeben!

einen tag nach den kommunalwahlen waren julia und ich in konya, einer stadt etwa 2 stunden südlich von ankara mit dem zug. wir haben über mehrere ecken eine deutschsprachige bekanntschaft geschlossen, eine alte dame, welche in konya als professorin in einer universität arbeitet.
es war ein ziemlich warmer frühlingstag und obwohl die stadt doch gar nicht so weit entfernt ist, war sie doch so anders als ankara. den ersten eindruck konnten wir uns schon am abend vorher verschaffen: konya ist eine akp-hochburg, die sozialdemokraten haben dort nur um die 2 prozent der stimmen gewonnen. dieser eindruck spiegelte sich dann letzendlich auch im allgemeinen straßenbild wieder. uralte moscheen reihten sich aneinander, wir waren die einzigen unverschleierten frauen auf der straße und die atmosphäre war soviel ungelöster und beengender, als in ankara. manchmal habe ich mich gefragt, ob ich wirklich noch in der türkei bin und nicht ausversehen in arabien gelandet bin, oder so. von außen betrachtet ist die stadt aber wirklich schön: mediterrane altbauten und die moscheen, wie gesagt uralt, sehen wahnsinnig schön aus. in ankara gibt es davon nicht soviele und vor allem ohne park davor. wir haben uns es also im schatten einer großen eiche vor einer der moscheen gemütlich gemacht, neben lernenden studenten, familien mit picknick und einfach gläubigen, die gerade vom gebet kamen. am ende haben wir noch die mevlana, der grund, weswegen in konya MASSENHAFT touristen sind, während sich nach ankara kein einzelner verirrt, besichtigt.
was aber viel interessanter war, waren die deutschen dort, die jede stunde in bussen angekarrt wurden! wir haben uns also sehr amüsiert.

zwischendurch war auch noch mein geburtstag. es war wirklich nicht so ... geburtstagig. so viel wert wird darauf in der türkei nicht gelegt, wir austauschschüler sind uns alle einig, dass es in der türkei einfach zu wenige besondere tage gibt! in deutschland gibt es weihnachten, ostern, nikolaus, geburtstag. hier gibt es hin und wieder bayram aber eine wirklich besondere stimmung kam zumindest bei dem von mir erlebten opferfest nicht auf. ich bin also vormittags in die schule gegangen, danach habe ich mich mit ein paar anderen im café getroffen und am abend bin ich mit meiner familie im parlament, wo meine gastmutter arbeitet, essen gegangen. in die dazugehörige moschee sind wir dann auch noch und als abschluss haben wir am späten abend torte gegessen.

dann war ich noch auf einem klassenausflug mit meiner kleinen gastschwester. wir sind in ein dorf circa zweieinhalb stunden von ankara gefahren. dort lag noch schnee und es war ziemlich gebirgig.
wir sind ein bisschen gewandert und es war so schön, wieder saubere luft einzuatmen!!!'

und zum schluss: ich habe meinen ersten heiratsantrag bekommen, endlich!!!
ich saß im park, woraufhin der typ meinte, er hätte sich in meine blauen augen verliebt und ob wir heiraten wollen. als ich verneint habe, beharrte er darauf, dass ich ihm wenigstens die nummer meines vaters gebe, damit er um meine hand anhalten kann. es dauerte ein bisschen, bis er verstand, dass da wahrscheinlich eine kleine sprachbarriere geherrscht hätte... dann hat er einen riesigen silbernen ring aus der tasche gezogen und wollte mir den an den finger stecken. :D

liebe viele grüße

Sophie


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