Seiten

'der orient ist die wahre mutter europas, und unsere schlummernde sehnsucht geht immer dorthin' - bruno taut

Mittwoch, 19. Februar 2014

mir ist langweilig, ich sitze in eine flauschige decke eingemümmelt auf dem sofa und bin gut gelaunt und freue mich, dass sich heute tatsächlich ein bisschen sommer hat zeigen lassen! ja, das licht war tatsächlich sommerlich, ich bin in bluse rumgelaufen und .. es fühlte sich einfach so an, als wäre eine
jahreszeit übersprungen worden.
desweiteren habe ich eine nacht, bestehend aus 12 stunden schlaf, hinter mir, habe heute meine gedanken wieder neu geordnet und kann wieder auf tolle erlebnisse zurückblicken.

ein kleines erlebnis, was mich aber trotzdem irgendwie glücklich gemacht hat, war zum beispiel ende
der ferien, als meine gasteltern mit meiner großen gastschwester bis in die nacht weg waren, und meine "kleinen" gastgeschwister unten vorm fernseher eingeschlafen sind und vergessen haben,
den herd auszumachen und die frierenden kleinen süßen hundewelpen (damals war es noch winter)
reinzulassen. meine gastmutter hat mich dann um 1 uhr aus dem schlaf geklingelt und ich hab dann
das verbrannte etwas vom herd genommen, ihn ausgemacht, den dampf abziehen lassen und die
hunde reingelassen.

okay, das klingt wirklich nicht sonderlich besonders, war es aber. sowas fühlt sich einfach so nach
zuhause an. es ist so unperfekt und irgendwie eckig wie meine eigene familie und die tatsache,
dass sich mein türkisch verbessert hat, ich ohne probleme telefonieren kann, hat mich auch erheitert.

einen tag später bin ich glaub ich nach istanbul gefahren - wegen meiner aufenthaltsgenehmigung..
ein lieber yfu mensch hat mich da abgeholt, zur polizei gebracht und alles geregelt, es war ansich
wirklich kein schöner tag, weil ich bestimmt fünf stunden mit hundert leuten in diesem kleinen stickigen raum gewartet hab, ohne ordnung oder organisation, aber es war doch schön, mal wieder
das meer, wenn auch aus dem auto- oder busfenster zu sehen und vor allem der kontrast istanbul - ankara ist nochmal so deutlich geworden. wie zwei verschiedene welten, oder eher wie dorf und stadt. plötzlich waren da wieder so unendlich viele autos, so viele lichter, so weite strecken,
soviel verkehr, soviele verschiedene eindrücke. zwischen ankara und istanbul liegt... wüste.
nur ein paar hügel, ein paar dörfer, bestehend aus 10 fachwerkhäusern und sonst nichts. alles
in gelb-grauen farbtönen und ankara hebt sich davon nicht besonders ab. alles wüstig, der smog
verdüstert den blauen himmel und es wächst halt nichts. aber naja, olsun.

sonst war ich noch mit meiner gastfamilie auf einer trauerfeier von einem verstorbenen verwandten, den ich nicht mehr kennengelernt habe. es war wirklich beeindruckend, wir waren mit 500 menschen
in einem iskender-restaurant, ich hatte ein kopftuch auf und ein berühmter imam hat aus dem koran
gelesen, oder eher "gesungen". es klang jedenfalls wirklich wunder-, wunderschön.

sonst... die schule ist furchtbar langweilig. es schlaucht halt, jeden tag 8 stunden da zu sitzen, ohne
wirkliches ziel und mit immer wieder neuen selbstbeschäftigungsversuchen.

aber ein paar neue erkenntnisse hab ich wieder gewonnen, die eigentlich nicht neu sind, aber
mit denen im hintergrund ich vielleicht jetzt ... bewusster lebe.

erstens wären das die stereotypen.. das, worüber ich mich immer beschwert und geärgert habe,
habe ich letzendlich in allen möglichen situationen in meinem eigenen denken wiedergefunden.
was heißt, dass ich ein paar schablonen im kopf habe, in die ich automatisch alle neuen menschen,
die ich treffe, einordne. was mir hier gottseidank oft passiert ist, ist, dass diese menschen nach
dem besseren kennenlernen bewiesen haben, dass ich die erste facette, die ich von ihnen gesehen
habe, in keine "meiner schubladen" reinpasst. ich lebe bewusster mit diesem denken, realisiere,
wenn ich wieder irgendjemanden in irgendetwas reinzuzwängen versuche, wo er nicht reinpasst.
allgemein habe ich das motto "leben und leben lassen" sehr verinnerlicht. es geht mich nichts an,
wenn jemand seine gesamte freizeit mit lernen "verschwendet". es ist einfach die entscheidung
eines jeden einzelnen, und wieso sollte ich mich darüber ärgern? sie könnten sich ja genauso
darüber "ärgern", dass ich meine freizeit hier damit verschwende, mich durch sämtliche cafés ankaras
zu fressen. :D das meine ich. die schablonen lockern sich langsam, so wird das denken befreiter,
viele grenzen verschwinden plötzlich und das wichtigste: man geht offener auf neue menschen zu,
begegnet ihnen ohne zuviele vorgedanken und hat somit viel mehr chancen!!

das war die erste erkenntnis, die mich glücklich macht.

die zweite war eher traurig. das ist das mit der chancengleichheit. was auch nicht wirklich etwas
neues ist, nur etwas, was ich hier stärker realisiere, als in deutschland.
da gibt es die kinder, die in ulus in eine kleine hütte mit undichtem dach auf einem hügel geboren
werden, wenn sie pech haben, werden sie auch noch mädchen, heißt, ihnen steht von anfang an
ein leben am herd für ihren mann und ihre kinder bevor. bildung können sich die meisten nicht
leisten, wenn, dann nur sehr wenig und an dieser welt rauscht die moderne 10 busminuten entfernt
vorbei. denn da gibt es die kinder aus ümitköy (übersetzt hoffnungsdorf), die ins konsulatenviertel geboren werden, deren eltern gute dershanen bezahlen können, so dass sie einen guten abschluss
an einem lise machen können und eventuell sogar später in den usa studieren dürfen.
der kontrast ist so stark, und das ist er auch in deutschland.
und festzustellen, dass alles nur davon abhängt, in welches elternhaus ich geboren werde ist... traurig.

soviel von mir.
der sommer kommt langsam aber sicher (nein, das ist auch für die türkei nicht normal),
ich langweile mich weiterhin in der schule, der tod jeglicher diätpläne ist nach zwei tagen
durchhalten spätestens dann spürbar, wenn ich iiiirgendwo baklava oder künefe rieche,
ich bin ein bisschen türkischer, was heißt, dass ich alle leute hundertmal pro tag frage
"nasilsin?" "hayatin nasil gidiyor?" "naber?" "ne var ne yok?"
(wie gehts, wie läuft das leben, welche neuigkeiten, was gibt es neues, auf ALLE fragen
wird IMMER mit iyiyim, also mir geht es gut, geantwortet, ich glaube, selbst, wenn man
halbtot im bett liegt. das ist halt eher sone redewendung, und würde ich antworten, mir
geht es schlecht, würde auch niemand fragen, wieso. nicht, weil sie unhöflich sind, einfach,
weils dann schon wieder zu direkt wird). außerdem begrüße ich menschen nicht mehr
mit handschlag, sondern mit küsschen rechts links, ich lächel mehr, bin undirekt, höflich, überlege
dreimal, bevor ich meine meinung sage und mein umweltbewusstsein ist zu einem gewissen teil verschwunden.)

achso, noch eine erkenntnis von uns austauschschülern: türken sind wie japaner, bloß mediteraner!!!

heißt, extrem indirekt, immer höflich, augenscheinlich immer gut gelaunt (also immer lächeln),
meinung nicht sagen und die grammatik beider sprachen ist nahezu die selbe. hoho.

liebe grüße aus ankara in grooooßer vorfreude auf die vielen pläne für mein geliebtes hamburg (ich hatte tatsächlich mein erstes richtiges heimwehtief neulich wegen dieser wunderbaren stadt)

wir sehn uns in vier monaten!

selamlarimla, sophie

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen